Ein kleines Licht und ganz viel Hoffnung

Ein kleines Licht und ganz viel Hoffnung

(verfasst für die Uli Stein-Stiftung von Susanne Wondollek)

„Bitte ziehen Sie nichts Weißes oder Helles an“, bittet mich Anette Simon-Groncki. Das hatte ich auch keinesfalls vor. Ich verspreche, auch mein kleines Schwarzes im Schrank zu lassen. So betrete ich in schlichten Jeans das Zuhause der  Edemisserin und finde mich in einem Knäuel quirliger  Vierbeiner wieder, die um mich herumwuseln und mein Eindringen in ihre Welt vielstimmig kommentieren. Einzelne liegen auf ihren Decken oder in ihren Körben und nehmen mich  hochkonzentriert und aufmerksam, andere wiederum nur beiläufig und einzelne nur aus Entfernung wahr. Die meisten von ihnen stammen aus Rumänien, genauer aus der Smeura, dem mit knapp 5500 Bewohnern größtem Tierheim der Welt. Und allesamt sind sie nicht gesund. Nicht physisch oder nicht psychisch und nicht selten beides. Einigen fehlt ein Bein. Andere haben verkrüppelte Gliedmaßen. Nicht wenige sind inkontinent. Einzelne querschnittgelähmt. Manche dement. In der Küche findet sich ein Konvolut an Medikamenten: gegen Herz- und Gelenkschmerzen, Epilepsie, zur Entwässerung, eine Spezialaugencreme uvm.

Anette Simon-Groncki steht keinem Verein vor. Sie hat auch keine Facebook- oder Internet-Seite. Sie ist einfach da, wenn u.a. Matthias Schmidt,  Vorstand der Tierhilfe Hoffnung, anruft und einen neuen Notfall hat. Ihr Rudel ist Beweis dafür, dass es derer  viele gibt. In den letzten vier Wochen sind zwei ihrer Schützlinge verstorben. Manche Nacht hat sie bei ihnen durchwacht, nicht wenige Tränen um sie vergossen.  Doch energisch zwingt sie sich schnell in den Alltag zurück:

Den pragmatischen Umgang mit dem Tod hat sich Anette Simon-Groncki hart  antrainiert. Denn bei den Gebrechen und dem Zustand ihrer Schützlinge ist er nun mal allgegenwärtig. „Natürlich trauere ich um jeden Hund. Doch an seinem Tod kann ich nichts ändern. Und so kurz er vielleicht nur bei mir war: er hat es zumindest für eine gewisse Zeit schön gehabt und wurde geliebt. Und diese Chance  kann und will ich dann einem neuem Hund geben“.

Und das tut sie.

Anette Simon –Groncki zeigt mir Fotos des rumänischen Tierheims, aus dem viele ihrer Notfelle stammen. Ihre Sorgenkinder hat sie aus den Augenwinkeln immer im Blick. Sei es,  dass  Ruby versucht, auf das Sofa und meinen Schoß zu kommen, Oma Gerdi einen Köttel loswerden will oder Maya eine frische Windel braucht. Ich bewundere, wie blitzblank und sauber ihre Wohnung trotz dieser kleinen Malheure und der Vielzahl der zudem noch kranken Hunde ist.

Die Edemisserin hat den 16jährigen Berti, ich Karlchen auf dem Schoß, der sich sofort bemerkbar macht, wenn ich das Fellkraulen auch nur eine Sekunde unterbreche. Ruby dringt energisch darauf, dass jetzt sie  mal dran ist. Ihr Wunsch ist mir Befehl. Allerdings darf sie nur in Bodenlage gekrault werden: ein Sturz oder auch ein ungeschicktes Absetzen könnte für die querschnittgelähmte Hundedame mehr als gefährlich sein. Dann will Karlchen wieder. Ruby gibt nach und widmet sich nun mit Innbrunst den geschätzt   zwanzig um sie herum liegenden Kuscheltieren auf ihrer Kuscheldecke.

Die Hunde gehen ruhig und friedlich miteinander um. Man bzw. Tier akzeptiert sich. Mal ein kurzes Gebrumme: das war’s. Revierkämpfe oder Streitigkeiten gibt es nicht. Ein bunt zusammengewürfeltes, inklusives Rudel, dessen Marschrichtung Anette Simon-Groncki ohne viel Worte vorgibt: “Ich will, dass es hier harmonisch abläuft. Prinzen und Prinzessinnen gibt es nicht.“ Und doch  versucht sie, jedem ihrer Schützlinge mit  seinen besonderen Bedürfnissen und Eigenarten gerecht zu werden. Jeder hat seine eigene Decke oder sein Körbchen, um sich zurückzuziehen. Billy-Boy, ein noch ängstlicher und in sich gekehrter Neuzugang, wohnt erstmal in einer Hütte im Garten. In kleinen Schritten wird er an die neue Umgebung und das Rudel gewöhnt. Die  blinde Pudeldame Praline, die die Signale der anderen Hunden nicht „lesen“ kann und aneckt, wenn sie ihnen ungewollt zu dicht auf den Pelz rückt, hat ein kuscheliges Rückzugslager im Bad für sich.

Doch regelmäßig finden sich alle in festen peer-groups wieder. Mit den Rentnern, den handicap-Hunden und den Youngstern dreht Anette Simon-Groncki dreimal am Tag nacheinander jeweils drei Gassirunden.  Anton genießt den Vorzug, seine Ziehmutter als einziger während des Ausgangs allein für sich zu haben. Dafür muss er etwas tun – und das macht er richtig gern. Er war, so berichtet Anette  Simon-Groncki, anfangs unruhig und offensichtlich nicht ausgelastet. Darum habe sie mit ihm gezielt zu trainieren begonnen:  Obedience. Die Übungen fordern ihn und verlangen ihm hundertprozentige Konzentration und Disziplin ab. In Antons‘ Seele ist jetzt Ruhe eingekehrt. Stolz zeigt mir  Anette Simon-Groncki vorher-nachher Bilder des Harzer Fuchses: ein Häufchen  Elend,  dessen rund um den Hals eingewachsene Kette noch in Rumänien notoperiert werden musste. Heute ein bildhübscher, putzmunterer und lebensfroher Kerl.

Gleiches gilt für seine Mitbewohnerin Maya, die nahezu bewegungsunfähig in Edemissen eintraf. An selbstständige Fortbewegung war nicht zu denken. Anette Simon-Groncki wandte sich an den Burgwedeler Verein „Handicap-Hunde und Freunde e.V.“ ( http://www.handicap-hunde.com/Kontakt/). Tanja Kawall und Anne Bestehorn, die beiden Vorstandsfrauen, standen mit offenem Ohr und mit Rat und Tat sofort zur Seite und vermittelten die Edemisserin mit der Dackelmixdame an einen Braunschweiger Tierarzt. Dessen Diagnose erfolgte schnell und eindeutig: Maya sei gelähmt und würde es für den Rest ihres Lebens bleiben. Weder für sie noch für ihre Adoptivmutter ein Grund aufzugeben oder zu verzweifeln.  Noch weniger für Tanja Kawall und Anne Bestehorn: Sie organisierten für Maya einen perfekt angepassten, flexibel nutzbaren Rolli und holten zusätzlich  die Uli Stein – Stiftung mit ins Boot. Und die Uli Stein – Stiftung half schnell und unbürokratisch.

Und wer Maya kennenlernt,  erlebt eine quietschfidele, fröhliche Dackelmixdame, die sich problemlos mit, aber auch ohne Rolli auf dem Bauch robbend in atemberaubendem Tempo fortbewegt.

„Sie ist der lebende Beweis, dass ein Hundeleben auch krank und behindert schön sein kann“, so ihre Adoptivmutter. Das ist es hier in Edemissen bei Anette Simon-Groncki ganz bestimmt!

Aber gilt das für alle? Ich setze mich zu Bodo, der die ganze Zeit bewegungslos und mit größtenteils geschlossenen Augen auf seiner Decke lag und streichle ihn vorsichtig. Er hat schwere Arthrose und kann sich nur mit fremder Hilfe fortbewegen. Seine tiefdunklen Augen zeugen von einer Vergangenheit, die er nicht vergessen kann. Was haben ihm die Menschen nur angetan? Wenn er sprechen könnte: Was würde er uns sagen?

„Er frisst und hat Appetit“, so Anette Simon-Groncki. „Wenn er sich aufgegeben hätte, würde er das nicht mehr tun“.

Ihr großer Traum ist ein Resthof . Ganz viel Platz und Raum. Einen Freilauf. Einen Hunde-Spielplatz. Und die Chance, noch intensiver auf die Bedürfnisse ihrer Schützlinge einzugehen.  Wenn sie das seit nunmehr 13 Jahren in der ebenerdigen, direkt an der Hauptstraße gelegenen Wohnung schafft, verdankt sie das toleranten Nachbarn und ihrem verständnisvollen Mann.

„Ohne ihn würde das hier alles nicht so funktionieren. Er stöhnt zwar über jeden neuen Hund –doch er ist meine größte Hilfe und macht letztlich alles mit“, schwärmt die Tierschützerin. Auch ihren beruflichen Neustart als Tierfriseurin. Ihre Arbeitsstätte, der Hundesalon, findet sich auf der Rückseite ihrer Erdgeschosswohnung. Wie er heißt?

Natürlich nach ihrer immer fröhlichen Hoffnungsträgerin:

Maya.

Mayas Hundesalon

Anette Simon Groncki

Erholung 8

31234 Edemissen – Alvesse

Tel: 05176/5554787

Mobil: 0171/6812120

8 Kommentare zu “Ein kleines Licht und ganz viel Hoffnung”

  1. Monika Bartels sagt:

    Bin beeindruckt und gerührt. Wie schaffen Sie das alles, zeitlich, emotional und nicht zuletzt finanziell. 🤔😍

    1. Anette Simon-Groncki sagt:

      Hallo Frau Bartels
      vielen Dank für Ihre netten Worte. Zeit mir für die Pflegefälle die ich habe zu nehmen ist mir sehr wichtig ich versuche ein kleines bisschen was gut zu machen was vorher in deren Leben passiert ist. Leider kann ich meine Emotionen auch nicht immer unterdrücken aber um weiteren Hunden zu helfen zwinge ich mich nach vorne zu schauen und nicht in meiner eigenen Trauer zu versinken.Daher hoffe ich das ich noch viele Jahre weiter helfen kann.
      Mit freundlichem Gruß
      Anette Simon-Groncki

      1. Jung ursula sagt:

        Bin sehr stolz auf dich ,kennen uns aus Köln Glg 👍😘

        1. Anette Simon-Groncki sagt:

          Hallo Uschi
          danke für Deine lieben Worte.
          Ich tue eigentlich nur das was mir immer schon am Herzen lag, ich helfe alten und behinderten Hunden. Ich möchte das sie ihren letzten Lebensabschnitt in Würde verbringen.Sie haben es so unglaublich verdient.

          Liebe Grüße Anette

  2. Heidrun Ludwig sagt:

    Ja, liebe Frau Simon-Groncki, wieder ein Zeichen Ihrer Kraft lese ich in diesem Artikel, in dem bekannt wird, dass noch zu den vielen Anstrengungen mit den aufgenommenen Hunden ein Friseur“salon“ von Ihnen ausgeübt wird!
    Wir kennen uns viele Jahre, denn damals übernahmen Sie eine arg misshandelte Hündin auf, die ich wegen enormer Eifersucht meines alten Tieres nicht gut betreuen konnte, obwohl Sie wie jetzt vollauf ausgelastet waren. Auch Ihre Mutter lebte noch und mußte von Ihnen versorgt werden. Alle Aufgaben haben Sie gemeistert, und ich bewunderte Sie und bis heute dazu Ihre psychische Ausdauer, mit den vielen Schicksalen umzugehen, ohne zu verzweifeln, wozu Menschen fähig sind, den Geschöpfen so Böses anzutun. Sie müssen Ihren Schlaf nutzen, um den nächsten Tag dieser schweren Verantwortung gerecht zu werden, was mir bei dem Anblick der kranken, oft alten Hunde, gar nicht möglich wäre. Ich würde grübeln und kaum Schlaf finden, oder zu Ihrer besonderen Fähkigkeit gesellt sich Erschöpfung am Abend.
    Ihr Mann hat stets die handwerklichen Arbeiten mit Akribie und Einfühlvermögen für die Tiere übernommen, auch er ist wegen dieser Unterstützung zu bewundern.
    Ich wünsche Ihnen weiterhin, dass Sie, Ihr Mann weitermachen können und gesund bleiben, denn Menschen wie Sie finde ich nicht … habe noch keine getroffen.
    Es grüßt Sie herzlich
    Heidrun Ludwig

    1. Simon-Groncki Anette sagt:

      Hallo Frau Ludwig
      Wie immer finden Sie so freundliche ergreifende Worte vielen Dank dafür. Mir geht es wie vielen Menschen es überkommt mich oft eine Sprachlosigkeit auf welch grauenhafte Ideen Menschen kommen können. Mit dem was ich tue versuche ich nur ein ganz ganz kleines bischen was gut zu machen was andere Menschen den Tieren angetan haben. Ich hoffe sehr das mir meine Gesundheit noch lange erhalten bleibt so das ich noch einigen Hunden helfen kann , ein schönes Leben zu führen.
      Liebe Grüße Anette Groncki

  3. Ortrud Lamb sagt:

    Liebe Frau Simon-Groncki,
    die Liebe,die Sie jedem Ihrer Hunde schenken,lese ich hier aus jeder Zeile.
    Und jeder von ihnen hat noch sein kleines Paradies bei Ihnen bekommen.
    Diese so wertvolle Arbeit ist Bestimmung und Lebensinhalt.
    Und ein 24-Stundenjob. Pflege rund um die Uhr.
    Inzwischen 66, begegnen mir schon mein ganzes Leben lang Katzen,die Hilfe brauchen und Schlimmes erlebt haben.
    Es gab nie Streit wenn ein neues Sorgenkind in der Wohnung dazu kam.
    Ein absolut soziales Verhalten untereinander.1 Woche Kennenlernen und danach war alles gut.
    Meistens waren es 5 Katzen.Wenn wir uns von einem unserer Freunde verabschieden mussten,kam nach kurzer Zeit auf den seltsamsten Wegen wieder ein neuer Schützling.Ich habe vor 30 Jahren ganze Telefonbücher durchgesehen,um über die Tel.Nr.die Adresse heraus zu finden,wenn ich in unserer Stadt eine verdächtige Katzen-Annonce in der Zeitung sah. Internet gab es nicht.
    Wenn sich der Verdacht bestätigte,habe ich die Katze den Leuten für viel Geld abgekauft und ihr bei mir ein schönes Zuhause gegeben.
    Heute sind es nur noch 2 Katzen vom Tierschutz,die mit mir zusammen leben.
    Sie haben eine prägende Vergangenheit,brauchen mich ganz und kämen mit mehr Mitbewohnern nicht zurecht.
    Ich bin immer daheim und für sie da.
    Bis vor 2 Jahren war ich 45 Jahre voll berufstätiger Single und im Rückblick frage ich mich manchmal , wie ich das alles geschafft habe.
    Es ist halt Berufung 👍
    Alles Liebe und Gute für Sie und Ihre endlich glücklichen Tiere.🍀🌻
    Ortrud Lamb

    1. Anette Simon-Groncki sagt:

      Hallo Frau Lamb
      ich finde es immer gut wenn sich jemand im Tierschutz angagiert. Wir haben das große Glück in einem tollen Land zu leben und finde man sollte von diesem Glück etwas abgeben. So das alle zufrieden und glücklich leben können.

      Mit freundlichem Gruß
      Anette Simon-Groncki

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert