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Einzelne liegen auf ihren Decken oder in ihren Körben und nehmen mich  hochkonzentriert und aufmerksam, andere wiederum nur beiläufig und einzelne nur aus Entfernung wahr. Die meisten von ihnen stammen aus Rumänien, genauer aus der Smeura, dem mit knapp 5500 Bewohnern größtem Tierheim der Welt. Und allesamt sind sie nicht gesund. Nicht physisch oder nicht psychisch und nicht selten beides. Einigen fehlt ein Bein. Andere haben verkrüppelte Gliedmaßen. Nicht wenige sind inkontinent. Einzelne querschnittgelähmt. Manche dement. In der Küche findet sich ein Konvolut an Medikamenten: gegen Herz- und Gelenkschmerzen, Epilepsie, zur Entwässerung, eine Spezialaugencreme uvm.

Anette Simon-Groncki steht keinem Verein vor. Sie hat auch keine Facebook- oder Internet-Seite. Sie ist einfach da, wenn u.a. Matthias Schmidt,  Vorstand der Tierhilfe Hoffnung, anruft und einen neuen Notfall hat. Ihr Rudel ist Beweis dafür, dass es derer  viele gibt. In den letzten vier Wochen sind zwei ihrer Schützlinge verstorben. Manche Nacht hat sie bei ihnen durchwacht, nicht wenige Tränen um sie vergossen.  Doch energisch zwingt sie sich schnell in den Alltag zurück:

Den pragmatischen Umgang mit dem Tod hat sich Anette Simon-Groncki hart  antrainiert. Denn bei den Gebrechen und dem Zustand ihrer Schützlinge ist er nun mal allgegenwärtig. „Natürlich trauere ich um jeden Hund. Doch an seinem Tod kann ich nichts ändern. Und so kurz er vielleicht nur bei mir war: er hat es zumindest für eine gewisse Zeit schön gehabt und wurde geliebt. Und diese Chance  kann und will ich dann einem neuem Hund geben“.

Und das tut sie.

Anette Simon –Groncki zeigt mir Fotos des rumänischen Tierheims, aus dem viele ihrer Notfelle stammen. Ihre Sorgenkinder hat sie aus den Augenwinkeln immer im Blick. Sei es,  dass  Ruby versucht, auf das Sofa und meinen Schoß zu kommen, Oma Gerdi einen Köttel loswerden will oder Maya eine frische Windel braucht. Ich bewundere, wie blitzblank und sauber ihre Wohnung trotz dieser kleinen Malheure und der Vielzahl der zudem noch kranken Hunde ist.

Die Edemisserin hat den 16jährigen Berti, ich Karlchen auf dem Schoß, der sich sofort bemerkbar macht, wenn ich das Fellkraulen auch nur eine Sekunde unterbreche. Ruby dringt energisch darauf, dass jetzt sie  mal dran ist. Ihr Wunsch ist mir Befehl. Allerdings darf sie nur in Bodenlage gekrault werden: ein Sturz oder auch ein ungeschicktes Absetzen könnte für die querschnittgelähmte Hundedame mehr als gefährlich sein. Dann will Karlchen wieder. Ruby gibt nach und widmet sich nun mit Innbrunst den geschätzt   zwanzig um sie herum liegenden Kuscheltieren auf ihrer Kuscheldecke.

Die Hunde gehen ruhig und friedlich miteinander um. Man bzw. Tier akzeptiert sich. Mal ein kurzes Gebrumme: das war’s. Revierkämpfe oder Streitigkeiten gibt es nicht. Ein bunt zusammengewürfeltes, inklusives Rudel, dessen Marschrichtung Anette Simon-Groncki ohne viel Worte vorgibt: “Ich will, dass es hier harmonisch abläuft. Prinzen und Prinzessinnen gibt es nicht.“ Und doch  versucht sie, jedem ihrer Schützlinge mit  seinen besonderen Bedürfnissen und Eigenarten gerecht zu werden. Jeder hat seine eigene Decke oder sein Körbchen, um sich zurückzuziehen. Billy-Boy, ein noch ängstlicher und in sich gekehrter Neuzugang, wohnt erstmal in einer Hütte im Garten. In kleinen Schritten wird er an die neue Umgebung und das Rudel gewöhnt. Die  blinde Pudeldame Praline, die die Signale der anderen Hunden nicht „lesen“ kann und aneckt, wenn sie ihnen ungewollt zu dicht auf den Pelz rückt, hat ein kuscheliges Rückzugslager im Bad für sich.

Doch regelmäßig finden sich alle in festen peer-groups wieder. Mit den Rentnern, den handicap-Hunden und den Youngstern dreht Anette Simon-Groncki dreimal am Tag nacheinander jeweils drei Gassirunden.  Anton genießt den Vorzug, seine Ziehmutter als einziger während des Ausgangs allein für sich zu haben. Dafür muss er etwas tun – und das macht er richtig gern. Er war, so berichtet Anette  Simon-Groncki, anfangs unruhig und offensichtlich nicht ausgelastet. Darum habe sie mit ihm gezielt zu trainieren begonnen:  Obedience. Die Übungen fordern ihn und verlangen ihm hundertprozentige Konzentration und Disziplin ab. In Antons‘ Seele ist jetzt Ruhe eingekehrt. Stolz zeigt mir  Anette Simon-Groncki vorher-nachher Bilder des Harzer Fuchses: ein Häufchen  Elend,  dessen rund um den Hals eingewachsene Kette noch in Rumänien notoperiert werden musste. Heute ein bildhübscher, putzmunterer und lebensfroher Kerl.

Gleiches gilt für seine Mitbewohnerin Maya, die nahezu bewegungsunfähig in Edemissen eintraf. An selbstständige Fortbewegung war nicht zu denken. Anette Simon-Groncki wandte sich an den hannoverschen „Verein der Handycap-Hunde“( http://www.handicap-hunde.com/Kontakt/). Tanja Kawall und Anne Bestehorn, die beiden Vorstandsfrauen, standen mit offenem Ohr und mit Rat und Tat sofort zur Seite und vermittelten die Edemisserin mit der Dackelmixdame an einen Braunschweiger Tierarzt. Dessen Diagnose erfolgte schnell und eindeutig: Maya sei gelähmt und würde es für den Rest ihres Lebens bleiben. Weder für sie noch für ihre Adoptivmutter ein Grund aufzugeben oder zu verzweifeln.  Noch weniger für Tanja Kawall und Anne Bestehorn: Sie organisierten für Maya einen spezial angefertigten Rolli und holten zusätzlich  die Uli Stein – Stiftung mit ins Boot. Und die Uli Stein – Stiftung half schnell und unbürokratisch.

Und wer Maya kennenlernt,  erlebt eine quietschfidele, fröhliche Dackelmixdame, die sich problemlos mit, aber auch ohne Rolli auf dem Bauch robbend in atemberaubendem Tempo fortbewegt.

„Sie ist der lebende Beweis, dass ein Hundeleben auch krank und behindert schön sein kann“, so ihre Adoptivmutter. Das ist es hier in Edemissen bei Anette Simon-Groncki ganz bestimmt!

Aber gilt das für alle? Ich setze mich zu Bodo, der die ganze Zeit bewegungslos und mit größtenteils geschlossenen Augen auf seiner Decke lag und streichle ihn vorsichtig. Er hat schwere Arthrose und kann sich nur mit fremder Hilfe fortbewegen. Seine tiefdunklen Augen zeugen von einer Vergangenheit, die er nicht vergessen kann. Was haben ihm die Menschen nur angetan? Wenn er sprechen könnte: Was würde er uns sagen?

„Er frisst und hat Appetit“, so Anette Simon-Groncki. „Wenn er sich aufgegeben hätte, würde er das nicht mehr tun“.

Ihr großer Traum ist ein Resthof . Ganz viel Platz und Raum. Einen Freilauf. Einen Hunde-Spielplatz. Und die Chance, noch intensiver auf die Bedürfnisse ihrer Schützlinge einzugehen.  Wenn sie das seit nunmehr 13 Jahren in der ebenerdigen, direkt an der Hauptstraße gelegenen Wohnung schafft, verdankt sie das toleranten Nachbarn und ihrem verständnisvollen Mann.

„Ohne ihn würde das hier alles nicht so funktionieren. Er stöhnt zwar über jeden neuen Hund –doch er ist meine größte Hilfe und macht letztlich alles mit“, schwärmt die Tierschützerin. Auch ihren beruflichen Neustart als Tierfriseurin. Ihre Arbeitsstätte, der Hundesalon, findet sich auf der Rückseite ihrer Erdgeschoßwohnung. Wie er heißt?

Natürlich nach ihrer immer fröhlichen Hoffnungsträgerin:

Maya.

Mayas Hundesalon

Anette Simon Groncki

Erholung 8

31234 Edemissen – Alvesse

Tel: 05176/975972

Mobil: 0171/6812120

verfasst von Susanne Wondollek

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